Mozart und Goethe
Der vierzehnjährige Goethe besuchte ein Konzert seines späteren musikalischen Idols, den damals erst siebenjährigen Mozart. Heute gelten Goethe und Mozart gleichermaßen als Genies, aber im August 1763, als sie nur einige Stuhlreihen trennten, waren beide noch Kinder. Während Mozart schon als Wunderkind betrachtet wurde, war von Goethes besonderer Begabung damals noch nichts zu ahnen. Niemand konnte wissen, dass an jenem Abend zwei spätere Geistesriesen anwesend waren.
Die knapp zwei Stunden, die einzige (nicht einmal persönliche) Begegnung der beiden, wurde für Goethe zu einem einschneidenden Erlebnis. Im Alter sagte er darüber: „Ich erinnere mich des kleinen Mannes in seiner Frisur und Degen noch ganz deutlich.“
Die Hoffnung seines Sekretärs und engen Vertrauten Eckermann, „zum Faust eine passende Musik kommen zu sehen“, dämpfte er mit den Worten: „Es ist ganz unmöglich. […] Die Musik müsste im Charakter des Don Giovanni sein. Mozart hätte den Faust komponieren müssen.“ Da war Mozart schon seit fast vierzig Jahren tot.
Als Direktor des Weimarer Hoftheaters nahm Goethe mehrere Mozart-Stücke ins Repertoire. Zum meistgespielten Stück des Theaters wurde Die Zauberflöte. Die Oper fesselte Goethe so sehr, dass er eine Fortsetzung plante und Christian August Vulpius mit der Weiterführung der Handlung beauftragte. Doch er sah rasch ein, dass es einfacher wäre, wenn er selbst Die Zauberflöte zu Ende schriebe.
Das Werk blieb schließlich fragmentarisch (Der Zauberflöte zweyter Theil – Fragment), es entstand keine Musik dazu, und auch zur Aufführung des Prosatextes kam es nicht.
Goethes einziger Sohn
1788, nach seiner Rückkehr von der Reise nach Italien, lernte der 38-jährige Goethe die 23-jährige Christiane Vulpius kennen, die er wesentlich später, erst 1806 heiratete. Sie bekamen mehrere Kinder, aber nur ein einziger, Julius August Walther (1789–1830), erreichte das Erwachsenenalter.
August, wie er meistens genannt wurde, trat nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg 1810 in den Dienst des Weimarer Herzogs. Als Kammerrat vertrat er seinen Vater, den Minister, zumeist bei feierlichen Anlässen, führte die Aufsicht über die öffentlichen Baumaßnahmen und verwaltete die Münz- und Mineraliensammlung seines Vaters.
Nach dem Tod seiner Mutter 1816 begann er einen intensiven Briefwechsel mit dem Vater und blieb praktisch bis ans Ende seines Lebens dessen „Untergebener“. Auf des Vaters Wunsch begann er Memoiren und Reisetagebücher zu schreiben. Auch die vornehme Ottilie von Pogwisch heiratete er auf väterlichen Druck. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Walther, Wolfgang und Alma. Nach einem hoffnungsvollen Beginn entfremdete sich jedoch das Paar bald, und August suchte Trost im Wein.
Im August 1830 schickte ihn Goethe in Begleitung seines Sekretärs Eckermann auf eine Studienreise nach Italien. Er hoffte, die idyllische Umgebung werde ihm helfen. In Rom kam es zu einer interessanten Begegnung: Goethes Sohn lernte August Kestner kennen, den Sohn der Charlotte Buff, nach deren Vorbild Goethe die Lotte in den Leiden des jungen Werthers geschaffen hatte.
Während Italien für Goethe das Leben und die künstlerische Entfaltung bedeutete, brachte es seinem Sohn August den Tod. Kurz nach seiner Ankunft in Rom bekam er Fieber und starb einige Tage später an den Pocken. Er wurde auf dem gleichen römischen Friedhof begraben, wie Keats und Shelley. Die Inschrift auf seinem Grabstein lautet: GOETHE FILIVS / PATRI / ANTEVERTENS / OBIIT / ANNOR XL / MDCCCXXX [Goethe der Sohn / dem Vater / vorangehend / starb / 40-jährig / 1830].
Der Name Goethe
Goethes Großvater, der aus Thüringen stammende Friedrich Georg Göthé, war eine Art Karl Lagerfeld seiner Zeit. Geboren als Sohn eines einfachen Hufschmieds, ließ er sich 1687 schon als Damenschneidermeister in Frankfurt nieder. Hier änderte er die Schreibweise seines Familiennamens und ersetzte das „E“ durch das weiblichere und französischere „É“. Goethe schämte sich deshalb für ihn; es ist kein Wunder, dass er seinen Großvater in seinem biographischen Werk Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit nur ein einziges Mal erwähnt und auch an dieser Stelle nicht beim Namen nennt.
Obgleich Goethe selbst seinen Namen, abgesehen von seiner ersten Jugendzeit, mit „oe“ schrieb, wurden mehrere seiner Werke unter dem Namen Göthe veröffentlicht. Auch andere, beispielsweise Friedrich Schiller und Arthur Schopenhauer, verwendeten immer wieder die Form „Göthe“. Die Schriftstellerin Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen, bei deren Weimarer Teegesellschaften Goethe oft zu Gast war, benutzte ebenfalls diese Schreibweise.
Johann Wolfgang von Goethes Name wurde also auch von seinen Zeitgenossen nicht immer in der heute üblichen Weise geschrieben. Wahrscheinlich störte das Goethe nicht wirklich, so kann auch die Behauptung nicht bestehen, dass die Variante „Göthe“ nur von ungebildeten Personen verwendet werde. Der Name selbst ist verhältnismäßig selten, 2013 waren im deutschen Telefonbuch 176 Göthe, 168 Goethe, 179 Göth, 28 Goeth, 11 Götke und 2 Göthke verzeichnet.
Die ungarische Bezeichnung „közönséges tarajosgőte“ (Triturus cristatus) für den nördlichen Kammmolch aus der Art der Amphibien und der Familie der Salamanderverwandten klingt nur im Ungarischen ähnlich wie der Name des Dichters. Im Deutschen kommen für den Familiennamen Goethe zwei etymologische Erklärungen in Frage: Er ist entweder aus dem mitteldeutschen „gote, gotte“ (Taufpate) oder aus dem Wortstamm „Götz/Gödeke“ entstanden, von dem auch der Vorname Gottfried abgeleitet wird.
Goethes Häuser
Die berühmtesten Gebäude Weimars sind wohl nicht das herzogliche Schloss Belvedere oder die Bastille, in der Bach eine Zeitlang inhaftiert war, sondern die Wohnsitze Goethes: das Gartenhaus im Ilmpark und das dreigeschossige Haus in der Innenstadt. Ersteres ist ein kleineres, zweigeschossiges altes Winzerhaus an der Ilm, das er von Herzog Carl August geschenkt bekam, das zweite ein mächtiges Gebäude mit einem wunderbaren Garten am Frauenplan, einem der schönsten Plätze Weimars.
Es bedeutet ein besonderes Erlebnis, dass die Farbgestaltung der Zimmer in beiden Gebäuden auf Goethes Theorie der Farbenlehre beruhen. Diese besagt nämlich unter anderen, dass man seine Augen am besten nur mit einer einzigen Farbe umgibt, sich in einem einfarbigen Zimmer aufhält oder durch eine farbige Scheibe blickt, um sich mit dieser Farbe identifizieren zu können.
Seinem Sekretär Eckermann sagte der alternde Goethe: „Auf alles, was ich als Poet geleistet habe, bilde ich mir gar nichts ein. Es haben treffliche Dichter mit mir gelebt, es lebten noch trefflichere vor mir, und es werden ihrer nach mir sein. Daß ich aber in meinem Jahrhundert in der schwierigen Wissenschaft der Farbenlehre der Einzige bin, der das Rechte weiß, darauf tue ich mir etwas zu gute, und ich habe daher ein Bewußtseyn der Superiorität über Viele.“
Schillers Schädel
Goethes Zeitgenosse, der 1759 geborene Friedrich Schiller, litt zeitlebens an verschiedenen Krankheiten. 1791 hatte er einen derart schweren Krankheitsanfall, dass sich die Nachricht verbreitete, er sei gestorben. Im Februar 1805 erkrankte der 46-jährige wirklich schwer, und nach einem Besuch einer Theatervorstellung zusammen mit Goethe am 1. Mai starb er tatsächlich am 9. Mai. Man geht allgemein davon aus, dass die Todesursache Tuberkulose war. Im Obduktionsbericht ist von zahlreichen Schäden an Organen die Rede, und eine Untersuchung der Tapete seines Arbeitszimmers identifizierte Giftstoffe, die seine Gesundheit zusätzlich hätten belasten können.
Nach Schillers Tod verursachten Komplikationen um seinen Schädel einige Aufregung. Auf Goethes Anregung, der besonderes Interesse für die Physiognomik hegte, exhumierte man 1826 aus der Sammelbegräbnisstätte für Personen von Stand und Adel auf dem Weimarer Jacobsfriedhof, wo Schiller in einer damals durchaus üblichen Weise bestattet worden war, 23 Schädel. Anhand der Erinnerungen der noch lebenden Zeitgenossen wurde der größte von ihnen als Schillers Schädel ausgestellt. Goethe nahm ihn heimlich mit nach Hause, bewahrte ihn Monate lang auf einem dunkelblauen Seidenkissen auf und verfasste ein Gedicht (Bei Betrachtung von Schillers Schädel) auf ihn („Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute, / Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten; Die alte Zeit gedacht ich, die ergraute.“). Danach wurde das, was man für Schillers sterbliche Überreste hielt, in der Weimarer Fürstengruft neben dem für Goethe bestimmten Grab noch einmal beigesetzt.
2009, anlässlich von Schillers 250. Geburtstag, wurde der berühmte Schädel wieder untersucht. Es stellte sich heraus, dass er zwar eine täuschende Ähnlichkeit mit der Totenmaske und sonstigen Schiller-Darstellungen aufweist, aber nicht sein Schädel ist. Seither steht das Grab neben Goethe in Weimar leer.
Os intermaxillare
Als er im März 1784 in Jena Schädel untersuchte, bemerkte Goethe, dass auch der Mensch ein „os intermaxillare“, einen Knochen zwischen den Kiefern, also ein Zwischenkieferbein besitzt. Über seine Entdeckung schrieb er in der ersten Begeisterung an seinen Freund, den Philosophen Herder: „Ich habe gefunden – weder Gold noch Silber, aber was mir eine unsägliche Freude macht – das os intermaxillare am Menschen! Ich verglich mit Lodern Menschen- und Tierschädel, kam auf die Spur und siehe da ist es. Nur bitt’ ich Dich, laß Dich nichts merken, denn es muß geheim behandelt werden.“
Zwar irrte Goethe, wenn er glaubte, er sei der Entdecker, denn ein französischer Forscher war schneller als er. Dennoch besteht sein unbestreitbares Verdienst in der Anwendung der Methode der vergleichenden Anatomie bei der Untersuchung. Darin war er tatsächlich ein Vorreiter.
Mozart und Goethe
Der vierzehnjährige Goethe besuchte ein Konzert seines späteren musikalischen Idols, den damals erst siebenjährigen Mozart. Heute gelten Goethe und Mozart gleichermaßen als Genies, aber im August 1763, als sie nur einige Stuhlreihen trennten, waren beide noch Kinder. Während Mozart schon als Wunderkind betrachtet wurde, war von Goethes besonderer Begabung damals noch nichts zu ahnen. Niemand konnte wissen, dass an jenem Abend zwei spätere Geistesriesen anwesend waren.
Die knapp zwei Stunden, die einzige (nicht einmal persönliche) Begegnung der beiden, wurde für Goethe zu einem einschneidenden Erlebnis. Im Alter sagte er darüber: „Ich erinnere mich des kleinen Mannes in seiner Frisur und Degen noch ganz deutlich.“
Die Hoffnung seines Sekretärs und engen Vertrauten Eckermann, „zum Faust eine passende Musik kommen zu sehen“, dämpfte er mit den Worten: „Es ist ganz unmöglich. […] Die Musik müsste im Charakter des Don Giovanni sein. Mozart hätte den Faust komponieren müssen.“ Da war Mozart schon seit fast vierzig Jahren tot.
Als Direktor des Weimarer Hoftheaters nahm Goethe mehrere Mozart-Stücke ins Repertoire. Zum meistgespielten Stück des Theaters wurde Die Zauberflöte. Die Oper fesselte Goethe so sehr, dass er eine Fortsetzung plante und Christian August Vulpius mit der Weiterführung der Handlung beauftragte. Doch er sah rasch ein, dass es einfacher wäre, wenn er selbst Die Zauberflöte zu Ende schriebe.
Das Werk blieb schließlich fragmentarisch (Der Zauberflöte zweyter Theil – Fragment), es entstand keine Musik dazu, und auch zur Aufführung des Prosatextes kam es nicht.
Goethes einziger Sohn
1788, nach seiner Rückkehr von der Reise nach Italien, lernte der 38-jährige Goethe die 23-jährige Christiane Vulpius kennen, die er wesentlich später, erst 1806 heiratete. Sie bekamen mehrere Kinder, aber nur ein einziger, Julius August Walther (1789–1830), erreichte das Erwachsenenalter.
August, wie er meistens genannt wurde, trat nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg 1810 in den Dienst des Weimarer Herzogs. Als Kammerrat vertrat er seinen Vater, den Minister, zumeist bei feierlichen Anlässen, führte die Aufsicht über die öffentlichen Baumaßnahmen und verwaltete die Münz- und Mineraliensammlung seines Vaters.
Nach dem Tod seiner Mutter 1816 begann er einen intensiven Briefwechsel mit dem Vater und blieb praktisch bis ans Ende seines Lebens dessen „Untergebener“. Auf des Vaters Wunsch begann er Memoiren und Reisetagebücher zu schreiben. Auch die vornehme Ottilie von Pogwisch heiratete er auf väterlichen Druck. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Walther, Wolfgang und Alma. Nach einem hoffnungsvollen Beginn entfremdete sich jedoch das Paar bald, und August suchte Trost im Wein.
Im August 1830 schickte ihn Goethe in Begleitung seines Sekretärs Eckermann auf eine Studienreise nach Italien. Er hoffte, die idyllische Umgebung werde ihm helfen. In Rom kam es zu einer interessanten Begegnung: Goethes Sohn lernte August Kestner kennen, den Sohn der Charlotte Buff, nach deren Vorbild Goethe die Lotte in den Leiden des jungen Werthers geschaffen hatte.
Während Italien für Goethe das Leben und die künstlerische Entfaltung bedeutete, brachte es seinem Sohn August den Tod. Kurz nach seiner Ankunft in Rom bekam er Fieber und starb einige Tage später an den Pocken. Er wurde auf dem gleichen römischen Friedhof begraben, wie Keats und Shelley. Die Inschrift auf seinem Grabstein lautet: GOETHE FILIVS / PATRI / ANTEVERTENS / OBIIT / ANNOR XL / MDCCCXXX [Goethe der Sohn / dem Vater / vorangehend / starb / 40-jährig / 1830].
Der Name Goethe
Goethes Großvater, der aus Thüringen stammende Friedrich Georg Göthé, war eine Art Karl Lagerfeld seiner Zeit. Geboren als Sohn eines einfachen Hufschmieds, ließ er sich 1687 schon als Damenschneidermeister in Frankfurt nieder. Hier änderte er die Schreibweise seines Familiennamens und ersetzte das „E“ durch das weiblichere und französischere „É“. Goethe schämte sich deshalb für ihn; es ist kein Wunder, dass er seinen Großvater in seinem biographischen Werk Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit nur ein einziges Mal erwähnt und auch an dieser Stelle nicht beim Namen nennt.
Obgleich Goethe selbst seinen Namen, abgesehen von seiner ersten Jugendzeit, mit „oe“ schrieb, wurden mehrere seiner Werke unter dem Namen Göthe veröffentlicht. Auch andere, beispielsweise Friedrich Schiller und Arthur Schopenhauer, verwendeten immer wieder die Form „Göthe“. Die Schriftstellerin Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen, bei deren Weimarer Teegesellschaften Goethe oft zu Gast war, benutzte ebenfalls diese Schreibweise.
Johann Wolfgang von Goethes Name wurde also auch von seinen Zeitgenossen nicht immer in der heute üblichen Weise geschrieben. Wahrscheinlich störte das Goethe nicht wirklich, so kann auch die Behauptung nicht bestehen, dass die Variante „Göthe“ nur von ungebildeten Personen verwendet werde. Der Name selbst ist verhältnismäßig selten, 2013 waren im deutschen Telefonbuch 176 Göthe, 168 Goethe, 179 Göth, 28 Goeth, 11 Götke und 2 Göthke verzeichnet.
Die ungarische Bezeichnung „közönséges tarajosgőte“ (Triturus cristatus) für den nördlichen Kammmolch aus der Art der Amphibien und der Familie der Salamanderverwandten klingt nur im Ungarischen ähnlich wie der Name des Dichters. Im Deutschen kommen für den Familiennamen Goethe zwei etymologische Erklärungen in Frage: Er ist entweder aus dem mitteldeutschen „gote, gotte“ (Taufpate) oder aus dem Wortstamm „Götz/Gödeke“ entstanden, von dem auch der Vorname Gottfried abgeleitet wird.
Goethes Häuser
Die berühmtesten Gebäude Weimars sind wohl nicht das herzogliche Schloss Belvedere oder die Bastille, in der Bach eine Zeitlang inhaftiert war, sondern die Wohnsitze Goethes: das Gartenhaus im Ilmpark und das dreigeschossige Haus in der Innenstadt. Ersteres ist ein kleineres, zweigeschossiges altes Winzerhaus an der Ilm, das er von Herzog Carl August geschenkt bekam, das zweite ein mächtiges Gebäude mit einem wunderbaren Garten am Frauenplan, einem der schönsten Plätze Weimars.
Es bedeutet ein besonderes Erlebnis, dass die Farbgestaltung der Zimmer in beiden Gebäuden auf Goethes Theorie der Farbenlehre beruhen. Diese besagt nämlich unter anderen, dass man seine Augen am besten nur mit einer einzigen Farbe umgibt, sich in einem einfarbigen Zimmer aufhält oder durch eine farbige Scheibe blickt, um sich mit dieser Farbe identifizieren zu können.
Seinem Sekretär Eckermann sagte der alternde Goethe: „Auf alles, was ich als Poet geleistet habe, bilde ich mir gar nichts ein. Es haben treffliche Dichter mit mir gelebt, es lebten noch trefflichere vor mir, und es werden ihrer nach mir sein. Daß ich aber in meinem Jahrhundert in der schwierigen Wissenschaft der Farbenlehre der Einzige bin, der das Rechte weiß, darauf tue ich mir etwas zu gute, und ich habe daher ein Bewußtseyn der Superiorität über Viele.“
Schillers Schädel
Goethes Zeitgenosse, der 1759 geborene Friedrich Schiller, litt zeitlebens an verschiedenen Krankheiten. 1791 hatte er einen derart schweren Krankheitsanfall, dass sich die Nachricht verbreitete, er sei gestorben. Im Februar 1805 erkrankte der 46-jährige wirklich schwer, und nach einem Besuch einer Theatervorstellung zusammen mit Goethe am 1. Mai starb er tatsächlich am 9. Mai. Man geht allgemein davon aus, dass die Todesursache Tuberkulose war. Im Obduktionsbericht ist von zahlreichen Schäden an Organen die Rede, und eine Untersuchung der Tapete seines Arbeitszimmers identifizierte Giftstoffe, die seine Gesundheit zusätzlich hätten belasten können.
Nach Schillers Tod verursachten Komplikationen um seinen Schädel einige Aufregung. Auf Goethes Anregung, der besonderes Interesse für die Physiognomik hegte, exhumierte man 1826 aus der Sammelbegräbnisstätte für Personen von Stand und Adel auf dem Weimarer Jacobsfriedhof, wo Schiller in einer damals durchaus üblichen Weise bestattet worden war, 23 Schädel. Anhand der Erinnerungen der noch lebenden Zeitgenossen wurde der größte von ihnen als Schillers Schädel ausgestellt. Goethe nahm ihn heimlich mit nach Hause, bewahrte ihn Monate lang auf einem dunkelblauen Seidenkissen auf und verfasste ein Gedicht (Bei Betrachtung von Schillers Schädel) auf ihn („Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute, / Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten; Die alte Zeit gedacht ich, die ergraute.“). Danach wurde das, was man für Schillers sterbliche Überreste hielt, in der Weimarer Fürstengruft neben dem für Goethe bestimmten Grab noch einmal beigesetzt.
2009, anlässlich von Schillers 250. Geburtstag, wurde der berühmte Schädel wieder untersucht. Es stellte sich heraus, dass er zwar eine täuschende Ähnlichkeit mit der Totenmaske und sonstigen Schiller-Darstellungen aufweist, aber nicht sein Schädel ist. Seither steht das Grab neben Goethe in Weimar leer.
Zwischen-kieferknochen
Als er im März 1784 in Jena Schädel untersuchte, bemerkte Goethe, dass auch der Mensch ein „os intermaxillare“, einen Knochen zwischen den Kiefern, also ein Zwischenkieferbein besitzt. Über seine Entdeckung schrieb er in der ersten Begeisterung an seinen Freund, den Philosophen Herder: „Ich habe gefunden – weder Gold noch Silber, aber was mir eine unsägliche Freude macht – das os intermaxillare am Menschen! Ich verglich mit Lodern Menschen- und Tierschädel, kam auf die Spur und siehe da ist es. Nur bitt’ ich Dich, laß Dich nichts merken, denn es muß geheim behandelt werden.“
Zwar irrte Goethe, wenn er glaubte, er sei der Entdecker, denn ein französischer Forscher war schneller als er. Dennoch besteht sein unbestreitbares Verdienst in der Anwendung der Methode der vergleichenden Anatomie bei der Untersuchung. Darin war er tatsächlich ein Vorreiter.